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AutorenbildChristoph Raethke

Folge 13: Corona als Chance


Die Corona-Krise löst gerade eine Welle an visionären Aussagen darüber aus, wie es nachher anders aussehen sollte oder könnte. In punkto Umweltschutz, in punkto Gesellschaftsleben, und natürlich auch in punkto Wirtschaft. In meiner Filterblase meinen viele, Corona sei eine Art biblische Plage, gesandt als Strafe für die Auswüchse des Kapitalismus. Es erstaunt mich sehr, wie viele kosmopolitische, überzeugt atheistische Zeitgenossen gerade die Pandemie als Strafe von oben, als gerechte Reaktion auf Verfehlungen des Menschen, als Fingerzeig des Schicksals einordnen.


Nur wenige beschäftigen sich damit, was diese Krise für Gründer und Investoren bedeutet. Das hat, glaube ich, mehrere Ursachen. Erstens sind Gründer und Investoren Bestandteil des kapitalistischen Systems, das ja irgendwie verantwortlich ist für die Seuche. Zweitens werden die meisten dieser Visionen, Kommentare und Facebook-Memes von Leuten formuliert, die selber nie gegründet und oft explizit einen Lebensweg außerhalb der Wirtschaft für sich gewählt haben, als Aktivisten oder Blogger.


Ich für meinen Teil habe letzte Woche eine neue Aufgabe begonnen, die komplett unbeeindruckt das weitermacht, was auch schon vor Corona funktioniert hat. Eine befreundete Firma hat ein neues Inkubator-Programm gestartet, den „Future City Incubator“, und in meiner Rolle als Angel in Residence werde ich die acht teilnehmenden Gründerteams regelmäßig coachen. Und zwar wiederum ganz traditionell mit Hinblick auf ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit. Nicht in punkto ihrer Kongruenz mit den Sustainable Development Goals, auch nicht mit Hinblick auf ihre Diversity oder Achtsamkeit, sondern einfach entlang der Frage, ob sie etwas bauen können, das kommerziellen, beständigen Kundenwert schafft und die Mühe wert ist.


Meine Hoffnung ist wie immer, dass es möglichst vielen von ihnen gelingt, Werte zu erschaffen, die Wachstum, Arbeitsplätze und explodierende Umsätze rechtfertigen. Denn auch, wenn sich die Corona-Kommentatoren auf Politiker und Lenker großer Konzerne fokussieren, weil die sich leichter dämonisieren lassen: Es ist der genau jetzt mit seinem Unternehmen abhebende Gründer, der die konkretesten Chancen hat, die nächsten Monate und Jahre zu bestimmen. Weil er über eigene Mittel verfügt, anstatt die Verteilung anderer Leute Mittel bestimmen zu wollen – und weil er nicht den Ballast von Organisationen hat, die in jahrzehntelangen guten Zeiten gewachsen und manchmal versteinert sind.



Das beweisen gerade jetzt die vielen Initiativen von Startups und Gründern in Deutschland. Christian Vollmann, der in seiner Rolle als einer der aktivsten Angels überhaupt Gast in der Podcast-Folge Nummer vier war, organisiert mit seinem „hauptberuflichen“ Startup nebenan.de gerade ganze Nachbarschaften. Sei es, um Quarantäneopfer oder Risikogruppen zu Hause zu versorgen, sei es, um die Restaurants im Kiez zu unterstützen. Warum? Weil seine Firma, vorbei an Bürokratie und Bewilligungen, näher und schneller an den Nachbarschaften dran ist als jede Behörde.


Marc-Alexander Christ, einer der Gründer von SumUp, pingte mich vorletzte Woche mit einer umwerfenden Idee an. Wenn es um die Verteilung von Hilfsgeldern für kleine Händler und Gewerbetreibende auf EU-Ebene geht – wer weiß denn, wie sehr in Notlage welche Betriebe genau geraten sind? SumUp weiß es, denn als der größte Anbieter von handlichen Karten-Terminals für genau diese Zielgruppe sehen sie in Echtzeit, wie stark individuelle Umsätze einbrechen. Warum nicht diese Daten nutzen, um Krisen-Fördergelder schnell in die richtigen Hände zu bringen?


Und Sergej Rewiakin, ein Seriengründer und Freund, dessen ganzer Stolz es ist, neue Geschäftsideen in zwei Wochen auf Nachfrage zu testen und dann entweder hochzuziehen oder wegzulegen, bezog sein Umfeld ebenfalls vor zweieinhalb Wochen erstmals in seine Ideenverifizierung betreffs eines lokalen, coronakompatiblen Essenslieferdienstes ein. Seit letzter Woche ist https://foodpick.de/ live.


Das sind nur drei Beispiele aus meinem unmittelbaren Kreis - aber das ist auch das Umfeld, in dem man als Business Angel genau jetzt, gerade jetzt rausgehen und Mut haben sollte. Alex von Frankenberg, der GF von Deutschlands aktivstem Investor HighTech Gründerfonds, sagt es im Podcast: Wer jetzt investiert, investiert in den Boom, der nach der Krise kommen wird. Und er investiert in Unternehmer und Unternehmertum, das gerade in schlechten Zeiten den Unterschied macht. In guten können auch Konzerne und die Politik weitermachen und profitabel sein wie bisher. In schlechten kommt es, gesellschaftliche Zukunftsvisionen hin oder her, auf die Gestaltungsmacht von kleinen Teams an, die nicht Facebook-Memes bauen, sondern die wirtschaftliche Zukunft.



Zu Marc Mogalles "Corona-Canvas" aus dem Podcast

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