Alle Welt spricht davon, dass man ständig und für alles ein „Top Team“ braucht, manchmal auch als „AAA Team“ oder sonstwie hybrisschwanger betitelt. Menschen, die hochmotiviert und vom Sinn der Sache überzeugt sind. Die von sich aus jenseits des Acht-Stunden-Tages arbeiten und im Zweifelsfall das Wochenende dranhängen. Jeder weiß aber auch, dass die Realität anders aussieht. In großen Organisationen hat man in der Regel keine Wahl, mit welchen Kollegen man zusammenarbeitet. Die Arbeit wird entlang der vorgegebenen Projekte geplant, und nicht entlang der Gaben oder Motivation der beteiligten Mitabeiter. (Wer das ändern will, sollte übrigens mal bei der Firma iCombine vorbeischauen, einer meiner Beteiligungen.)
Im Privatleben ist das anders – da achten wir genau darauf, wer zu welchem Projekt passt, zur Fußballmannschaft, zur Skatrunde oder der Gruppe Freunde, mit denen man einen Geräteschuppen im Garten bauen will. Manchmal versucht man, dabei jemanden mitzuschleppen, der nicht passt, aber sehr schnell stellt sich heraus, wer Talent hat und wer nicht. Diese simple Einsicht bringt uns zu der Art, wie in der Startup-Branche mit dem Thema Produkt (der Geräteschuppen) versus Team (eine Gruppe des erfolgreichen Geräteschuppenbaus höchst befähigter Individuen) umgegangen wird.
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Private Investoren sind sich einig, dass das Team entscheidend ist – wenn auf halbem Weg zum Schuppen das Holz ausgeht, können begabte Handwerker daraus immer noch eine Sandkiste machen. Anders als private Organisationen fördert der Staat dagegen nicht Teams, sondern Technologie und Produkt. Sein Fokus, Ziel und Beitrag ist also der Geräteschuppen, beziehungsweise ein Stapel Holzlatten und Beton sowie eine Kreissäge und ein Akkubohrschrauber daneben. Zuende gedacht heißt das, dass in einer Welt, in der Unternehmenserfolg nach breitem Konsens mehr vom Wer als vom Was abhängt, der Staat unbeirrt 100% seiner Ressourcen auf zweiteres einsetzt. Dafür gibt es zugegebenermaßen gute Gründe. Einer ist Machbarkeit: Ein Team qualitativ zu beurteilen, ist deutlich schwieriger und weniger standardisierbar als eine Technologie. Ein anderer ist die Rechtfertigung vorm Steuerzahler: Ein hervorragendes Team, das den vierten Onlineshop für handgehäkelte Socken aufbaut – will man das wirklich mit Steuergeld päppeln?
Heraus kommen Konstellationen, die den Business Angel vorsichtig werden lassen müssen. Vor Kurzem lernte ich ein Startup kennen, das bereits dreimal Fördergelder bekommen hatte und sich entsprechend als wertvolle, durchaus reife und professionelle Organisation begriff, die nun mit Recht nach privater Finanzierung suchen durfte. Die Aufstellung des Gründerteams in punkto Rollen und Fähigkeiten widersprach allerdings allem, was Firmenerfolg und Investierbarkeit verlangen würden. Das sagte ich auch und stieß auf großes Unverständnis: Das hätte ihnen noch niemand gesagt, und ganz im Gegenteil würden die mehrfachen „Finanzierungen“ doch beweisen, dass es da kein Problem gäbe.
Das war ein Moment, den man sich auch im Bezug auf größere Zusammenhänge auf der Zunge zergehen lassen muss. Die Debatte über Digitalisierung wird ja von den Üblichen Verdächtigen, Mahnern und Warnern oft auf der höchsten Abstraktionsebene geführt, mit Forderungen wie dass „Deutschland mehr in Künstliche Intelligenz“ investieren müsse, oder in Plattformen, oder in Datenschutz. Aber mal abgesehen davon, dass Appelle an Chimären wie „Deutschland“, „Europa“ oder gar „die Menschheit“ in ihrer intellektuellen Armut Ausflüge in das Kinderzimmer der Facebook-Memes sind: In Abstrakta wie „KI“ kann man nicht investieren. Man kann Teams unterstützen, die KI als Baustein nützlicher Lösungen einsetzen. Aber wie soll man das tun, wenn man Steuergeld nicht in Teams investiert, sondern in Technologiebegriffe?
Zurück auf dem Boden der Tatsachen, auf dem sich der Business Angel bewegt, heißt das, doppelt hinzuschauen bei der Teamkonstellation. Wo ein Startup in seinem Pitch im Zweifelsfall offen zugeben wird, dass sein Produkt noch wacklig, das Marketing unausgegoren oder der erste verdiente Euro in weiter Ferne ist, wird es sein Team stets als Zusammenkunft von Genies und Wundertätern beschreiben. Meist aus ehrlicher Überzeugung und dem Umstand heraus, dass es viel schmerzhafter ist, seine Mitgründer unbestechlich einzuschätzen als den Erfolg oder Misserfolg der letzten Adwords-Kampagne.
Aber auch auf Seiten vieler Business Angels scheint mir ebenfalls manchmal eine gewisse Blindheit zu existieren, was eine sachliche, moderne Einschätzung des Teams angeht. Das könnte daran liegen, dass der Referenz-Rahmen mancher Angels die eingangs erwähnte Projektarbeit im Konzern ist, bei der es unerheblich ist, wer sie ausführt. Viele normale Menschen können mit Startup-Glaubensbekenntnissen wie „hire for attitude, not for skills“ nichts anfangen und sind entsprechend zufrieden, wenn der CV eines Gründers die richtigen Stichworte aufweist – oder sich überhaupt eine Gruppe netter junger Leute um ein interessantes Thema kümmert. Konkrete Fragen danach, wie und warum jedes Team-Mitglied für seine Rolle die Idealbesetzung ist und wie er daran arbeitet, besser zu werden, gehört deswegen zur Gewissenhaftigkeit des Business Angels dazu.
Ansonsten bleibt der Geräteschuppen ein Traum.
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