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AutorenbildChristoph Raethke

Folge 7: Der Moment der Wahrheit - das erste Mal in ein Startup investieren!

Aktualisiert: 17. Jan. 2020


Die Diskussionen beziehungsweise Verhandlungen darüber, wie die Bewertung eines Startups ausfällt und welche Investment-Form gewählt werden soll, ist auch 20 Jahre nach dem ersten Startup-Boom noch sehr virulent. Mir ist sehr bewusst, wie viel sich seit meiner ersten Gründung 1999 getan hat. Die Rechtsform der UG gab es damals noch nicht, ebensowenig Zuschüsse wie der von der BAFA, und vom Wandeldarlehen hatte noch kaum jemand gehört. Seitdem hat sich vieles professionalisiert, und die verschiedenen Phasen einer das Wachstum begleitenden „Investment-Karriere“, auch „Funding Story“ genannt, sind vielen bekannt.


Ich hab sie trotzdem nochmal in eine Grafik gekleidet – diejenigen, die ich im Netz fand, waren scheußlich anzusehen, von Schreibfehlern zernarbt und auf Englisch. Und ich habe eine Risiko-Achse hinzugefügt, die versucht, eine Antwort auf die so oft gestellte Frage zu geben, ob tatsächlich 90% aller Startups scheitern. Vorweggenommen: Kommt drauf an, ab wann man die Reise mitmacht.



Für jetzt will ich auf einen Punkt dieser Grafik hinaus, nämlich die allererste Phase. Es ist wichtig für einen neuen Angel, zu verstehen, dass es manchmal für ein Investment zu früh sein kann. Gemäß meiner – absolut anekdotischen, überhaupt nicht von Datenerhebung unterstützten – Grafik sollte ein Angel einsteigen, wenn das Risiko des Scheiterns wenigstens ein BISSCHEN gesunken ist, von nahe 100% auf vielleicht 80%. Ein Risiko sinkt in dem Maße, in dem die Gründer sich und ihre Idee professionalisiert haben, zum Beispiel durch


  • Inkorporierung einer Firma, in der Team-Rollen und Anteilsverteilung geregelt sind

  • Professionelles Business-Setup mit Anwalt, Steuerberater, Firmenkonto

  • Vollzeit-Engagement der Gründer

  • Von unten nach oben erhobene Kundenforschung mit systematisierten Ergebnissen

  • Hypothesen über kritische Daten wie Kundenakquise-Kosten, Herstellungskosten, Unit Economics, Erlösmodell

  • Einen Prototypen, anhand dessen sich verwertbare Kundenreaktionen erheben lassen


Das heißt aber im Umkehrschluss, dass man als Angel in der Zeit VOR dieser Phase nichts verloren hat. In dieser Zeit müssen Gründer mit Bordmitteln über die Runden kommen, beziehungsweise mit dem, was ihnen der Staat aus dem Steuertopf schenkt. Trotzdem wird der geneigte Angel immer wieder Investment-Angebote bekommen, in denen Gründer schon in jener Phase des nahezu sicheren Scheiterns nach Kapital suchen. Mir passiert das öfter, und grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden – es ist das Recht jedes Gründers, für seine Idee so früh wie möglich finanzielle Unterstützung zu suchen.


Es gibt zwei Gründe, aus denen man das zurückweisen sollte. Den ersten habe ich eben genannt: Auch, wenn wir beim Thema „Angels“ letztlich immer von Hochrisikoinvestment reden, gibt es dessen ein Zuviel. Der zweite ist ebenso wichtig. In einer Phase, in der ein Team noch nichts von Wert geschaffen hat, kann seine Firma entsprechend nur so niedrig bewertet werden, dass es selbst für wenig Investment schon große Teile abgeben müsste. Konkret: Ein Team, das gerade einen Accelerator (ein üblicherweise mehrmonatiges Förderprogramm, in der es von Coaches beraten und weiterentwickelt wird) absolviert hat, wie Techstars oder APX, aber noch keine Umsätze hat, wird in der Branche grob mit zwischen 600.000 und 1.000.000 € bewertet. Zu diesem Zeitpunkt hat das Team alle oben genannten Punkte, von der Inkorporierung bis zum Prototypen, schon hinter sich.


Teams, die von diesem Punkt noch weit entfernt sind - „zwei vielversprechende Feierabendgründer mit einer sich gut anhörenden Idee“ -, müssen entsprechend viel niedriger bewertet werden, vielleicht mit 200.000 €. Wenn sie zu diesem Zeitpunkt bereits nach externem Geld suchen, müssten sie entsprechend selbst für 50.000 € schon ein Viertel ihrer Firma abgeben. Und es geht noch krasser. Diese Woche bekam ich das Pitchdeck eines Teams, das außer Idee und Gründern noch nichts hat, aber einfach mal ausgerechnet hatte, wie viel die Produktentwicklung in den nächsten 12 Monaten kosten würde. Dabei kamen sie auf etwa 400.000 € - davon 280.000 € „HR“, also ihre eigenen Gehälter –, und diese 400.000 wollten sie nun einwerben. Abgesehen von dem absurden Risikoprofil gab ich ihnen ein investmentseitiges Feedback zurück, nämlich, dass ihr Unternehmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt weniger als diese Summe wert ist – dass sie also einem Investor in dieser Größenordnung sofort ihre gesamte Firma überschreiben müssten, was wohl kaum ihrer Vorstellung entspräche.


Die Quintessenz daraus ist, dass es im fundamentalen Überlebensinteresse der Gründer ist, erst dann Geld aufzunehmen, wenn sie etwas anzubieten haben, das einen fairen Deal überhaupt ermöglicht. Manche Gründer meinen, schon an diesem Punkt zu sein, sobald sie sich selber als Gründer identifiziert und ihre unvalidierte Idee in eine Powerpoint gewandet haben - und in der Tat ist das oft genug, um aus Steuermitteln sechsstellige Summen zu erhalten. Das kann man gut (im Sinne von „dem Unternehmertum den Boden bereiten“) oder schlecht („Steuermittel verschenken, wo kein vernünftiger Mensch sein eigenes Geld riskieren würde“) finden.


Aber als Business Angel hilft man so einem Team mehr, wenn man ihm rät, wiederzukommen, wenn ihre Firma investierbar ist – als, wie von der „Höhle der Löwen“ so furchteinflößend vorgemacht, ihnen für kleines Geld die Hälfte ihrer Anteile abzunehmen.


In diesem Sinne noch zwei Hinweise auf Ressourcen, die das Auffinden von Investment-Gelegenheiten, an denen man das oben gesagte ausprobieren kann, einfacher machen. Vor dem Hintergrund von Jahren als Leiter der Berliner Startup Unit hat Christian Herzog letztes Jahr die App Findervest herausgebracht, ein Tinder für das Matchmaking zwischen Investoren und Startups. Arnas Bräutigam, vormals Startup-Mann der Berliner Sparkasse, macht dagegen etwas noch spezifischeres: Mit StartupDetector durchforstet er kontinuierlich die öffentlichen Datenquellen und schickt Interessenten wöchentlich bis zu 70 Neugründungen ins Haus, hot off the Handelsregister.



Zur Präsentation von Fix First, dem im Podcast präsentierten Startup



Die im Podcast erwähnten geprüften Vorlagen für wichtige Dokumente - zum Beispiel Wandeldarlehensverträge - gibt es hier.


Zu empfehlende weiterführende Literatur: Niko Samios' Buch dealterms.vc und Tim Weiss' Werk startupfundraising.de.

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