top of page
Suche
AutorenbildChristoph Raethke

Folge 2: Warum man unbedingt Business Angel werden muss

Aktualisiert: 6. Nov. 2019

In meiner Zweitidentität als Entwickler und Mentor von Entrepreneurship-Programmen sowie Impresario von und Einpeitscher bei Führungskräfte-Workshops zum Thema Corporate Entrepreneurship hab ich mir angewöhnt, meine ausgefeilten und vielschichtigen Plädoyers mit einem sehr einfachen Rat zu beginnen. „Wenn ihr sonst nichts mitnehmt von allem, was ich euch erzähle, dann tut wenigstens eines, das euch in Glanz und Elend alles beibringt, was ihr wissen müsst. Werdet Business Angels, mit eurem eigenen Geld.“


Womit wir bei dem abstraktesten Grund sind, warum man unbedingt Business Angel werden muss. Europaweit gibt es eine enorme Diskrepanz zwischen der Anzahl Berufstätiger, die in Führungs- und Beratungspositionen für die Weiterentwicklung von Firmen und Organisationen Richtung Digitales Unternehmertum verantwortlich sind – und der Anzahl von ihnen, die mit eigenem Geld und Risiko tatsächlich Protagonisten dieses Wandels sind. Innovationsmanager, Digitalberater, Investment-Manager, Geschäftsführer, selbst „Chief Digital Officers“ oder Leiter von Intrapreneurship-Programmen: Viel zu wenige von ihnen haben schon persönlich, nicht aus von oben bereitgestelltem Budget, in junge Unternehmen investiert. Dabei schlägt diese Erfahrung, wenn man seinem Geld auch Engagement folgen lässt, jedes Design Thinking-Wochende, jedes Strategie-Offsite, und auch jede Predigt von Evangelisten wie mir bei weitem.


Ich habe im letzten Podcast davon gesprochen, wie mich die Arbeit mit Startups Demut gelehrt hat vor den Mächten des Scheiterns. Aber sie hat mir auch ein tiefes, dabei durchaus verlustreiches und bisweilen fragiles, Verständnis für die sachlichen, technischen und menschlichen Mechanismen hinter den großen Schlagworten gegeben. Nur auf Basis dieses Verständnisses traue ich mich überhaupt, anderen zu raten. Deswegen, kurz und brutal: Wer sich selbst oder seine Organisation glaubwürdig weiterbringen will, muss Business Angel werden. Punkt.


Ein weiteres Movens, das erwähnte ich im Podcast, ist, dass man großen finanziellen Erfolg mehr und mehr nur noch über Beteiligung an Risiken erzielen kann. „Mehr und mehr“, das heißt: Von meinen geliebten Eltern weiß ich, dass man in der Alten Bundesrepublik zu Wohlstand kommen konnte, indem man 35 Jahre bei einer Firma oder im Staatsdienst seinen Job machte, ohne einen einzigen gehaltslosen Monat, und das Geld vernünftig anlegte. Aber diese Lebensläufe verschwinden. Wer also nicht erbt, im Lotto gewinnt oder mit Drogen handelt, wird es immer schwerer haben, nur aus dem, was am Monatsende übrig bleibt, vermögend zu werden. So ist es auch bei mir: Das Geld, das ich jetzt über AoD investiere, kommt zu 100% aus Beteiligungen an unternehmerischen Risiken, die ich 2014 eingegangen bin.


Für mich gibt es aber noch etwas anderes. Ich habe mich vor langem gefragt, was das Beste ist, das ich mit Arbeiten erreichen kann – worum es eigentlich geht in dem, was man „Berufsleben“ nennt. Meine Antwort ist: Abenteuer erleben. Immer wieder Dinge zum ersten Mal machen. Sich in Gefahr begeben - aber idealerweise in eine, die man kontrollieren kann.


Selber gründen ist das größte berufliche Abenteuer von allen, weswegen in meiner „Hierarchie der Berufstätigkeit“ der Gründer einer Firma mit 50 Angestellten über dem angestellten Geschäftsführer eines DAX-Konzerns oder der Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland steht. Entsprechend ist die Zusammenarbeit mit Gründern in der Frühphase, die durch den Einsatz von eigenem Geld und Zeit Intensität und Relevanz gewinnt, die größte intellektuelle Herausforderung diesseits des selber-Gründens, die ich kenne. Es ist wie eine Existenz als mittelmäßiger Musiker (als lebenslanger Geht-so-Rockgitarrist weiß ich, wovon ich rede): Man findet sich ständig an Orten und in Situationen wieder, die man sich nicht hätte vorstellen können und in die keiner kommt, der ein normales Leben führt. Harte Krisengespräche am Tag vor Weihnachten. Mitternächtliche Telefonkonferenzen. Detaillierteste Diskussionen in ausufernden Notarverhandlungen. Auf die harte Tour erworbene Branchenkenntnis in Bereichen, mit denen man noch nie zu tun hatte. Nicht Mate-Trinken oder hybrisschwangere Pitch-Präsentationen, sondern die Aussage „Heute ist Mittwoch, und wenn wir heute keine Lösung finden, melden wir Freitag Insolvenz an“ ist der große Klassiker der Startup-Szene.


Aber genau wegen dieser Fallhöhe gibt es auch immer wieder den Triumph, in Momenten höchster Bedeutung für die Zukunft einer Firma oder einer Gruppe Menschen doch noch gemeinsam die Kuh vom Eis gekriegt zu haben. Woraus, wenn man Glück hat, die ehrlichsten und tragfähigsten Geschäftsfreundschaften entstehen, die man sich vorstellen kann; sie leben oft von der Verbundenheit, gemeinsam das Trommelfeuer erlebt und überstanden zu haben.


Feierabend machen und das Gefühl haben, dass heute wichtig, lehrreich und eine verdammte Herausforderung war. Wer das will (und vielleicht in seinem 9-to-5 Job nicht bekommt), muss unbedingt Business Angel werden. Punkt.


Die Präsentation von Movacar aus dem Podcast.



Ressourcen:

Dies sind nur ganz wenige Anknüpfungspunkte für angehende Angels – Anregungen, in welche Richtung man schauen sollte.


Events in nächster Zeit:

05. November, München: www.fraunhoferventure.de/pitch19


Websites:


INVEST-Zuschuss der BAFA (im Podcast erklärt):

215 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Yorumlar


bottom of page