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  • AutorenbildChristoph Raethke

Folge 3: Was ein guter Business Angel mitbringen muss.


Was – außer Geld - sollte man mitbringen, um ein guter Business Angel zu sein? Sollte man lieber die Finger davon lassen, wenn man zum Beispiel keinen Hintergrund als Selbständiger, Kaufmann, Berater oder BWLer hat?


Das ist eine gute Frage, denn für alle anderen Anlagemöglichkeiten braucht es explizit keine besonderen Voraussetzungen. Aktien, Fonds, Immobilien: Wenn man es nicht unbedingt anders will, werden diese Anlagen von Profis gemanagt, während der Anleger auf der Couch seine monatlichen Kursgewinne goutiert.


Die Geldanlage als Privatinvestor unterscheidet sich davon in dem wesentlichen Punkt, dass man die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Investments durch sein Engagement erhöhen kann. Dem Aktienfonds bei Union Investment ist es egal, ob seine Anteilseigner Tischler oder Topmanager sind. Ein Startup dagegen wird alles versuchen, seine Investoren nicht nur nach monetären Kriterien auszusuchen. Im Idealfall komplementiert der Kreis der Investoren die Fähigkeiten des Gründerteams. Ein Beispiel dafür ist Seniovo.de, eine meiner Beteiligungen. Seniovo bietet den altersgerechten, barrierefreien Umbau von Senioren-Wohnungen an, vereinheitlicht auf einen Klick, und ist damit eine Firma auf der Schnittstelle zwischen sozialer Mission und kommerzieller Plattform. Die Herausforderungen für die Firma sind vor allem Prozess-seitig – es gibt unter der Haube viele Parteien zu koordinieren, vom Handwerker bis zur Versicherungsabrechnung.


Die Gruppe von Angels, die vor zwei Jahren die erste Finanzierung stemmte, kam aus dem Netzwerk meines Accelerator-Programms Berlin Startup Academy und war aus meiner Sicht ideal. Es investierten die Gründer von Signavio, einem höchst erfolgreichen Startup, das Prozessmanagement-Software baut. Mit mir zusammen investierte René Wienholtz, der viele Jahre lang CTO von Strato, Europas zweitgrößtem Web Hoster, war und absolut alles über Aufbau und Management von Technologie-Teams weiß. Entsprechend konkret war das Coaching und die Unterstützung, die wir dem Seniovo-Team angedeihen lassen konnten. Dass die Firma jetzt sechsstellige Monatsumsätze macht und ihren Wert vervielfacht hat – das größte Verdienst hat selbstverständlich Gründer und CEO John Kohl, aber auch er würde sagen, dass das Ganze nur in der Kollaboration funktioniert hat.


Allerdings geht es auch anders. Denn am Anfang, im ersten Jahr ihres Bestehens, haben 90% der Startups relativ ähnliche Herausforderungen, bei deren Bewältigung auch Angels extrem wertvoll sein können, die keine intime Branchen- oder Prozesskenntnis mitbringen. Am Anfang geht es zum Beispiel hart um Vertrieb, um erste Pilotkunden, erste Umsätze. Jeder, der schon mal in irgendeiner Branche erfolgreich (und systematisch) verkauft hat, ist da als Ratgeber Gold wert. Gerade bei B2B-Startups – und die sind ja ohnehin der Sweet Spot von AoD – ist jede warme Intro willkommen. Denn auch im Jahr 2019 ist es für Startups noch immer absurd schwer, an den richtigen und vor allem einen wohlgesonnenen und entscheidungsfähigen Kontakt innerhalb eines Konzerns oder Mittelständlers zu kommen.


Was muss man also einbringen können als Angel? Im Podcast werden ein paar Punkte erläutert: ein monatliches Zeitbudget, Geduld, den Willen, aktiv Werbung zu machen für sein Investment. Genauso wichtig ist aber etwas, das man NICHT einbringen sollte, nämlich zu viel von seinem Ego. Wenn eine Volksweisheit in diesem Zusammenhang explizit nicht stimmt, dann der Spruch von „wer zahlt, schafft an“. Denn ein Investment ist kein Lohn oder Kaufpreis, der dem Gläubiger eine Weisungsbefugnis verleiht – sondern ein Vertrauensbeweis und eine Grundlage dafür, dass es das Gründerteam packen kann. Natürlich kann und soll man als Angel seiner Erfahrung Gehör verschaffen; ich selber veranstalte z.B. mit den Management Teams von Beteiligungen gelegentlich interne Workshops zu bestimmten Themen.

Kritisch wird es aber, wenn diese Teilhabe ausartet in eine Kopie dessen, was der Angel vielleicht aus seiner eigenen Karriere bezüglich Hierarchien, Prozesstreue und Exaktheit kennt. Ganz im Gegenteil geht es am Anfang darum, Gründer zu ermutigen, ihre eigene Unternehmenskultur, ihre eigenen Verbindlichkeiten und Rituale zu schaffen. Es hilft, sich gelegentlich zu vergleichen mit dem Horrorbild des Angel Investors, das in der Startup-Szene zirkuliert: Der münsterländische Zahnarzt, der wegen seiner 20.000 Euro Investment mehrmals wöchentlich anruft, Rechenschaft verlangt, Ideen in punkto Personalführung durchdrücken und eigentlich sein Geld zurück möchte, weil ihm die Raten für sein Reihenhaus jetzt doch über den Kopf gestiegen sind.


Dieser Typ möchte man auf gar keinen Fall sein.


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