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  • AutorenbildChristoph Raethke

Folge 8: Mentoring - Schlüssel zum Erfolg oder vergebliche Liebesmüh?

Aktualisiert: 18. Feb. 2020


Neben der Kundenzentrierung und der Nutzung von Technologie ist Mentoring - die kostenlose, rückhaltlos offene, fehler-positive Beratung und Hilfe zwischen Gründern und Kollegen - das fundamentale, nachhaltige Erfolgsgeheimnis der Startup-Branche gegenüber etablierten Organisationen. Aber wann ist Mentoring gut und produktiv? Wann wird durch Mentoring ein Mehrwert geschaffen, der die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Startups steigert und das Risiko für einen Angel senkt? Welche Inhalte sollten wann besprochen und beraten werden?


Fangen wir mit der letzten Frage an. Wie im letzten Blogbeitrag – und innerhalb desselben Achsenkreuzes – habe ich zur Orientierung ein Schema gemalt. Wichtig: Im Laufe der Zeit verändert sich das Mentoring in Qualität und Quantität. Für die Themen der ersten 12 Monate ist es durchaus sinnvoll – und in Accelerator-Programmen Standard -, viele Mentoren hinzuzuziehen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Herausforderungen für Startups ähnlich, fast egal, in welcher Industrie sie tätig sind. Für die Themen und Fragen dieser Zeit gibt es entsprechend auch viele Menschen, die sich gut genug auskennen. Das ändert sich schnell – schon im zweiten Jahr können nur noch diejenigen einem Startup wirklich weiterhelfen, die in seiner Branche gut Bescheid wissen; das Mentoring nimmt die Form von fokussierten Diskussionen mit Experten an. Und dieser Trend setzt sich im dritten Jahr fort – hier sind die Herausforderungen so spezifisch geworden, dass Mentoring oft Peer-to-Peer mit anderen erfahrenen Unternehmern, mit dem Beirat und den Investoren des Startups oder hochgradigen Experten stattfindet. 50 Mentoren im ersten, 15 im zweiten, 5 im dritten Jahr – das könnte eine ungefähre Quote sein.


Was die ersten beiden der eingangs genannten Fragen, die nach Produktivität und Risikosenkung durch Mentoring angeht: Darauf gibt es viele Antworten, aber zwei sind mir besonders wichtig.


Die erste: Mentoring ist dann besonders produktiv, wenn der Mentor ein persönliches Eigeninteresse am Erfolg des Mentees hat. Dieses Eigeninteresse ist dann am ausgeprägtesten, wenn der Mentor am Schicksal des beratenen Unternehmens etwas zu gewinnen oder verlieren hat. Damit sind wir bei der Gründungsidee des legendären US-Accelerators „Y.Combinator“, in dem die Mentoren selber Unternehmer waren, die neue Gründer unterstützen, um sich selber erfolgversprechendere Investment-Optionen zu schaffen. Das amerikanische Founder Institute-Programm hat das institutionalisiert, indem es seine Mentoren über einen Anteils-Pool vom Erfolg der betreuten Teams profitieren lässt. Aber trotzdem dieses Gemeinsam-an-einem-Seil-Ziehen (auf Englisch als „having skin in the game“ formuliert) für die Amerikaner eine absolute Erfolgsvoraussetzung für wertschaffendes Startup Mentoring war, ist es in Deutschland und Europa die krasse Ausnahme.


Der wichtigste Grund dafür ist, dass der Großteil des strukturierten Mentorings hier im Rahmen von querfinanzierten Organisationen ausgeübt wird. Also von Managern, Uni-Angestellten, Beratern, Sachbearbeitern, denen es oft sogar explizit verboten ist, bei den von ihnen betreuten Startups mit ins Risiko zu gehen. Keiner von ihnen profitiert außerordentlich davon, wenn er sich außerordentlich viel Mühe gibt und sich dadurch vielleicht ein herausragender Geschäftserfolg einstellt – andererseits verliert aber auch keiner von ihnen etwas, wenn ein Team scheitert. Gerade so, wie es auch in der Projektarbeit in einem Konzern abläuft. Und wie könnte es auch anders sein, wenn das Budget für eine Gründerförderung zum Beispiel gänzlich von der Öffentlichen Hand stammt? Es hört sich etwas turbokapitalistisch an, aber Eigennutz ist die mächtigste Triebfeder für ein Mentoring, das auch in schwierigen Zeiten, nach Feierabend und vor allem länger als ein paar Stunden am Ball bleibt und konkrete Türen öffnet. Das sollten übrigens auch Startups beherzigen. Wer sich von Keine Anteile abgeben-Mentoringprogramm zu Keine Anteile abgeben-Mentoringprogramm hangelt, hat am Ende ein Geschäftsumfeld, dem der Erfolg oder Misserfolg des Startups egal ist.


Die zweite Antwort, die mir wichtig ist und die durchaus etwas mit der ersten zu tun hat, ist: Herausragende Mentoren verschaffen ihren Mentees Zugang zu Ressourcen, die für Geld nicht zu kaufen sind und den Empfängern einen exklusiven Vorteil verschaffen. Dazu gehört Zugang zu nicht-öffentlichen Veranstaltungen oder zu großer Medien-Öffentlichkeit. Es gibt glücklicherweise viele Anknüpfungspunkte für Gründer, die transparent und einigermaßen egalitär sind; absolut jeder kann sein Pitchdeck an die „info@“-Mailadressen bekannter VCs schicken, sich ein Ticket für den Web-Summit in Lissabon kaufen, auf dem „Demo Day“ des ihn betreuenden Accelerators oder bei einem öffentlichen Gründer-Meetup auftreten, oder die Arbeit eines Beratungsunternehmens oder der lokalen Standortförderung in Anspruch nehmen. Aber die entscheidenden Momente, gerade in punkto Finanzierung und Pilotkunden oder Partnerschaften, sind andere – nämlich solche, die nur Mentoren schaffen können, die bedeutend weiter vorangeschritten sind in ihrer Karriere. Die einen Gründer beim Partner eines VCs vorstellen können, der Investmententscheidungen trifft, und nicht nur bei dem Associate, der die erste Sichtung der bei „info@“ eingegangenen Pitches übernimmt. Denen der Chefredakteur eines Mediums das Ohr leiht und nicht nur der Volontär, der jetzt für sechs Monate das Thema „Startups“ macht. Das können nur Mentoren, die sich Glaubwürdigkeit und einen Stellenwert erarbeitet haben.


Um viele Mentoring-Programme herum gibt es einen Schwarm von „Startup-Enthusiasten“, die manchmal weniger erreicht haben als das Startup, dem sie gerne helfen würden. Mentoring in diesem Enthusiasten-Umfeld allein senkt das Investment-Risiko für einen Angel nicht. Es lohnt sich also als Angel, zu fragen, welche Art von Mentoring ein Team erfahren und ob es sich ein Umfeld von wertschaffenden Unterstützern aufgebaut hat.



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